Wie viele andere Branchen erfindet sich die Hotellerie neu. Längst konkurriert sie mit dem gesamten Lifestyle-Segment. Wie sich das auf den Service und die Kommunikation auswirkt, analysiert der Entrepreneur, Service-Experte und Management-Berater Carsten K. Rath.
Wenn es um den besten Service geht, wollen wir in der Hotellerie uns immer gern aneinander messen. Daran ist auch gar nichts auszusetzen: Wettbewerb belebt das Geschäft, in Zeiten der Verdichtung kaum eines so sehr wie unseres. Es gibt nur zwei Probleme, die aus der Vermessung von Service entstehen: Erstens werden wir (wie auch bei Design und Ausstattung) umso gleicher, je mehr wir uns vergleichen. Und zweitens ist das, was bei den Gästen von einem Hotelbesuch hängenbleibt, garantiert nicht das, was verglichen wird. Gäste kommen wieder, wenn sie ein Hotel mit besonderen Erinnerungen verbinden. Deshalb greift die Vermessung von Standards ins Leere. Ich bin immer wieder überrascht zu sehen, wie sehr Hotels sich im Ringen um ein Servicekonzept für die Zukunft immer noch auf Prozesse und Fertigkeiten fixieren. Das ist eine Form des Wettbewerbs gegen die neuen Konkurrenten, die schon in anderen Branchen nicht funktioniert hat. Das beste Beispiel ist die Musik-Branche, die sich gegen das veränderte Kundenverhalten (Downloads im Internet) buchstäblich mit Prozessen zu wehren versuchte – Gerichtsprozessen nämlich. Genützt hat es ihr gar nichts: Am Ende musste die Branche sich komplett neu erfinden. Der Kern dieser Neu-Erfindung wurden Konzert-Events: besondere Erlebnisse für die Fans.
Auch andere Branchen setzen auf das Erlebnis-Prinzip: Möbelhersteller Dedon lädt Kunden auf seine eigene Urlaubsinsel zum luxuriösen Probewohnen ein, Louis Vuitton liefert Fashion-Pilgern mit einer Koffer-Hausfassade in Paris eine Instagram-Vorlage, Casio tourt zum Jubiläum der G-Shock- Uhr mit Activity-Spielen durch die Luxus-Malls Asiens und lässt die Kunden kopfüber in die Markenwelt eintauchen.
Der Erlebnis-Trend läuft auf ein neues Level der Service-Kultur hinaus: das „Experience- Level“. Aus dieser Feststellung kann es nur eine Schlussfolgerung geben: Gästen erinnerungswürdige Geschichten erzählen. Oder noch besser, Ihnen die Plattform bieten, sodass sie selbst positive Geschichten erzählen. Damit scheidet alles Prozesshafte und Zahlenmäßige als tragendes Alleinstellungsmerkmal aus. Oder wann haben Sie zum letzten Mal einen Gast mit einem Strahlen in den Augen davon reden hören, wie pünktlich bei seinem letzten Besuch im Restaurant der Zwischengang serviert wurde? Das ist ein Standardablauf ohne Begeisterungs-Potenzial. Was eine Gasterfahrung zur Experience macht, ist ihre emotionale Einzigartigkeit. Ein besonders prägnantes Beispiel in der Hotellerie ist der Bankett-Service. Worum geht es in den Kundengesprächen bei der Vorbereitung eines Business-Events? Wann findet die Kaffeepause statt, welche Snacks werden gereicht, wo stehen die Hochtische … Das alles sind letztlich nur Abläufe, bei denen Professionalität einfach vorausgesetzt wird, die aber in keinem Erlebnisbericht unter Kollegen später vorkommen werden. Innovative Veranstalter wie die Carl-Gruppe aus Hamburg setzen deshalb bei ihren Events auf das Prinzip Interaktion: Die Gäste werden ins Geschehen eingebunden und dadurch Teil des Geschehens. Auf diese Weise entsteht jenseits der Standard- Abläufe eine Experience, die bleibende Erinnerungen schafft: Der Experience-Faktor schreibt Geschichten. Die erfolgreichsten Akteure aller Branchen zeigen: Der echte Markenwert ist heute die Summe der positiven Geschichten, die Kunden sich über ihre Marke erzählen.
INFO Entrepreneur Carsten K. Rath ist Vortragsredner und Autor zu den Themen Service-Excellence und Leadership. Als Managementberater gibt er Unternehmen jeder Größenordnung Impulse für Kundenbegeisterung und zukunftsfähige Managementkonzepte. Leidenschaftlich vermittelt er sein Wissen zudem als Hochschuldozent u. a. an der Hochschule Fresenius in Wiesbaden. Mit Travelgrand.de, seinem Luxus-Online-Magazin für Reise und Lifestyle sowie seinen Kolumnen bei Handelsblatt, Bilanz, Focus, BILD, AHGZ u. a. gehört er zu den führenden Service- und Reiseexperten in der deutschsprachigen Medienlandschaft. Das Handelsblatt nennt ihn „THE international Service-Excellence authority“, für n-tv ist er „der Service-Experte Nr. 1 im deutschsprachigen Raum“.
TEXT / CARSTEN K. RATH
FOTO / STEFAN KAISER
MEHR / www.carstenrath.com