Vom iPad zum iHotel

Man gewinnt den Wettbewerb, wenn man ihn verlässt. Eine Zukunftsvision von Prof. Kleiber-Wurm.

Prof. Kleiber-Wurm ist emeritierter Professor für Marketing der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München und der Universität Innsbruck ITD. Von ihm stammen viele bekannte Projekte, vom Bayerischen Wald über Tirol bis nach Dubai. Er lebt als strategischer Unternehmenscoach mit seiner Familie in München.

ICH HABE MICH OFT GEFRAGT, WIE STEVE JOBS EIN HOTEL ENTWICKELN WÜRDE …
Er hatte den magischen Satz geprägt: „Woher sollen Kunden wissen, was sie wollen?“ Könnten wir ein Hotel, z.B. in den Alpen bauen, das Natur pur und High- Tech vereint? Das in der Lage ist, die neue „Bewusstseins-Generation“ anzulocken? Steve hatte mit dem iPhone ein Projekt produziert, das jenseits von Zielgruppen die „globalen Intelligenzen“ vernetzt. Egal welche Hautfarbe oder Religion, welches Geschlecht oder welches Alter … alle haben das iPhone dabei und lieben es. So müsste auch ein Hotel der Zukunft sein: unglaublich schön und rein in der Form, „cradle to cradle“ in der ethischen Grundhaltung und komplexe zukünftige Lifestyle-Angebote für die kommende Netzwerk-Generation.

DIE JUNGEN FÜHREN DIE ALTEN UND DIE ALTEN WERDEN IMMER JÜNGER.
Wie sieht diese Generation aus? Nun die Weltbevölkerung ist im Durchschnitt 27(!) Jahre alt. Die Europäer sind etwa 40 Jahre, aber eine 40-Jährige fühlt sich viel jünger, im Schnitt so um die 30 (!). Das heißt, das Marktvolumen wird eher von „jung“ beherrscht. Über 65 sind etwa ein Viertel, aber auch die sind mega-fit und schauen genau hin, was die Jungen so treiben. Ein iHotel müsste also einen eher intelligenten, attraktiven Charakter haben, statt immer mit dunklem Holz an die Natur zu erinnern. Wenn man diese neue Generation so ansieht, tauchen interessante Menschen auf. Der unglaubliche Boyan Slat (19) mit seinem „Ocean clean up“ Project, die wunderbare Malala (19) mit dem Friedensnobelpreis und der geniale Jenova Chen (22) mit seinem traumhaften Spiel „Journey“. Auch der Tourismus wird revolutioniert durch einen Außenseiter – Joe Gebbia von Airbnb (in jeder Minute werden 277 Übernachtungen gebucht!). Joe will ein Unternehmen bauen, das der kreativste Ort der Welt ist.

„Kein anderer vermag es, die Verflechtungen der physikalischen Quantenmechanik mit den Techniken moderner Strategien spannender darzustellen als Prof. Kleiber-Wurm. Wo er seine Ideen verwirklicht, entsteht Ungewöhnliches …“ AIRLINE-BORDBUCH

VOM LEIDEN ZUM LEBEN … DER UNGLAUBLICHE WANDEL DER WERTE
Wir kommen aus einer langen Kultur des Leidens. Die Sprache lügt nicht: Leidenschaft, was sonst. Unsere geistige Software lautete: „Ich leide – also bin ich“. Entsprechend waren auch die Angebote am Markt eher Erleichterungsrituale. Diese Zeit neigt sich ihrem Ende entgegen. Prof. Joachim Bauer wies darauf hin, dass nicht Konkurrenz und Kampf die Motivations-Motoren für menschliches Leben seien, sondern Kooperation und gelingende Beziehungen. Damit leben wir in einer Zeit des Übergangs vom Gegeneinander zum Miteinander. Die Formel der Neuen Zeit lautet denn auch: „Ich lebe, also bin ich“. Entsprechend muss sich ein neues iHotel als nichtmaterielles, nichtzeitliches Meta- Prinzip für „bewusstes, intelligentes und vernetztes Leben“ verstehen.

DIE NEUE WELT IST KEINE VISION SONDERN WIRKLICHKEIT.
Wir haben uns an viel Neues innerhalb von nur zehn Jahren gewöhnt. Wir navigieren im Auto mit GPS, erledigen unsere Bankgeschäfte online und Emojis entwickeln sich zur Weltsprache. Im Silicon Valley glaubt man, dass es durch die Verbindung von Mensch und Technik so eine Art Urknall gibt und eine Zivilisation 2.0 – the next Level – entsteht. In Wirklichkeit sind die Dinge gerade umgekehrt. Die Evolution hat dafür gesorgt, dass innerhalb der Nanosekunde der Geschichte sieben Milliarden Menschen entstanden – das ist der wirkliche Quantensprung, aus dem Neues entsteht. Ich nenne das „Critical Mass“, denn wir wissen, dass zum Entstehen von Neuem prinzipiell eine kritische Masse oder entsprechende Menge „von etwas“ vorhanden sein muss. Die sieben Milliarden Menschen scheinen etwas zu können, zu dem die uns über Jahrtausende vertraute Menschenmenge von einer Milliarde nicht in der Lage war: Sie verbindet und vernetzt sich. Jeder kann das täglich beobachten. Die iPhones und Laptops sind also nichts anderes als das entsprechende Vernetzungsmedium der „kritischen Masse“. Sie ermöglichen weltweit gelingende Beziehungen.

1,5 MRD ALTE WELT – KAMPF UND KONKURRENZ
Im Jahr 1900 waren etwa 1,5 Milliarden Menschen auf der Welt, die sich in zwei großen Weltkriegen gegenseitig vernichteten.

7,4 MRD NEUE WELT – KOOPERATION UND GELINGENDE BEZIEHUNGEN
Im Jahr 2015 sind etwa 7,4 Milliarden Menschen auf der Welt – die sich offensichtlich verbinden und vernetzen. Das ist der Quantensprung der Erde. 7,4 Milliarden Menschen sind nicht das Problem, sondern die Lösung.

EIN I-HOTEL MUSS SICH ALS META-PRINZIP FÜR „BEWUSSTES, INTELLIGENTES UND VERNETZTES LEBEN“ VERSTEHEN.
Ein iHotel gibt es derzeit nicht, es muss formal, technisch und inhaltlich neu entwickelt werden. Es wäre sozusagen ein unverwechselbarer Marker für die Alpen – so wie der Eiffelturm in Paris, das Schloss Neuschwanstein in Bayern und das Burj al Arab in Dubai. Diese Marker sind unverwechselbar und ziehen Menschen aus der ganzen Welt an. Mein Wunsch-Architekt ist Sir Norman Foster, der auf dem Reichstagsgebäude in Berlin die Glaskuppel entwarf und damit den Deutschen ihre unverwechselbare Identität zurückgab. Und Swarovski wäre wie kein anderer geeignet ein Hotel zu bauen, das aus der Idee des Bergkristalls seine formale und funktionale Schönheit bezieht. „Du begehrst was du siehst“ – das ist das Wesen der Natur.

Text: Prof. Kleiber-Wurm
Bilder: Judith Wagner