Warum funktionieren häufig Gasträume, welche sehr urig, sehr dunkel und auch nicht gerade sauber erscheinen, im Gegensatz zu neu gestalteten, durch und durch gestylten Objekten? Was macht das Thema Gastlichkeit aus und welche Zutaten darf der Innenarchitekt dazugeben? Zweifellos sehr spannende Fragen, welche nach Antworten verlangen! Gerhard Wittl von Roomcode gibt sie.
Öffentliche Bereiche zu gestalten, stellt für jeden Designer oder Innenarchitekten stets eine große Herausforderung dar. Als Gestalter möchte man in erster Linie Räume kreieren, welche die Sinne berühren, faszinieren, und eine einzigartige Atmosphäre vermitteln. Dennoch muss man trotz allem Idealismus und aller Leidenschaft für seinen Beruf einem den Vortritt lassen: der Intention des Kunden, mit den neu geschaffenen Räumen möglichst viel Geld zu verdienen und für sich und sein Personal eine möglichst funktionelle Arbeitsumgebung vorzufinden, und das bei einem möglichst geringen Kostenaufwand. Alle Romantik von Seiten des Gestalters hat hier also absolut nichts zu suchen.
PERSONAL – EIN AUSHÄNGESCHILD
Es ist von großer Wichtigkeit, für das Personal einen möglichst reibungslos funktionierenden Ablauf zu ermöglichen, denn eines wird bei den Planungen von Seiten der Gastronomiebetreiber oftmals vergessen: der Service und das Personal sind mit das Aushängeschild seiner Lokalität. Ein gut gelauntes und eloquentes Personal lässt einen oftmals Unstimmigkeiten oder Unzufriedenheiten rasch wieder vergessen. Dies sind jedoch Dinge, welche man als Gestalter nicht beeinflussen kann. Letztlich besteht die Aufgabe des Innenarchitekten darin, einen funktionellen räumlichen Rahmen zu schaffen.
„GEMÜTLICH UND SCHÖN“ … Wie geht man nun vor, wenn die Vorgabe von vielen Bauherren oftmals nur lautet ‚gemütlich und schön’. Eine vage und sehr ungenaue Umschreibung für die Basis deren Existenz! Manchmal ist es erschreckend, wie wenig Gedanken sich viele Gastronomiebetreiber über das Erscheinungsbild der gekauften oder oftmals teuer gemieteten Immobilie machen. Sie legen sozusagen ihr Schicksal in die Hände des beauftragten Gestalters. Eine große Verantwortung und auch ein Suchen nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Für viele mag diese Aufgabenstellung geradezu verlockend sein, und man kredenzt seinem Kunden seinen Geschmack von Gastronomie auf dem Silbertablett. Zielführend ist dies jedoch nicht, da das oberste Ziel sein sollte, einen zufriedenen Kunden zu hinterlassen, der sein investiertes Kapital gewinnbringend vermehrt.
ANALYSE KONZEPT
Jeder Gastronomiebetreiber sollte sich grundsätzlich die Fragen stellen, welches Klientel, welche Speisen, welche Getränke, welche Aufenthaltsdauer für sein Konzept das Optimale darstellt? Erlaubt auch die Örtlichkeit diese Gastronomie? Welches Personal wird benötigt etc. All dies bestimmt das Kundenangebot und somit auch den nachhaltigen Verbleib auf dem hart umkämpften Markt. Geht man in der Geschichte etwas weiter zurück, so beschäftigte man sich schon früher damit, die optimale Umgebung für den passenden Gast zu schaffen. Ein Beispiel: Wie lange möchte man sich für einen Kaffee und vielleicht eine kleine Beilage Zeit nehmen? Denken Sie mal kurz darüber nach! Der Wiener Kaffeehausstuhl wurde zum Beispiel bewusst so entworfen, dass man für einen Zeitraum von maximal 20 Minuten entspannt sitzen kann. Verweilt man darauf länger, wird es unangenehm und unbequem. Der Stuhl war eines der wichtigsten Hilfsmittel, um dieses Konzept umzusetzen. Mal schnell einen Kaffee, ein kleines Gebäck, die Tageszeitung – die ersten Anfänge der heute boomenden, sogenannten Kaffeekultur. Auch die Frage, warum gerade die Bierbank das meistverkaufte Sitzmöbel weltweit darstellt, ist nun einfach zu beantworten. Interessant zu beobachten ist auch folgende gegensätzliche Entwicklung: Systemgastronomien wie beispielsweise Mc Donald‘s änderten vor einigen Jahren ihr Raumkonzept. Offene Kamine, Lounge-Möbel und dunkle erdige Töne wurden genutzt, um dem Gast Gemütlichkeit und Wärme zu bieten. Man erkannte darin das Potenzial, den Kunden zu längeren Aufenthalten und weiterem Konsum zu bewegen.
ESSENTIELLE PUNKTE
Warum funktionieren häufig Gasträume, welche sehr urig, sehr dunkel und auch nicht gerade sauber erscheinen, im Gegensatz zu neu gestalteten, durch und durch gestylten Objekten? Was macht das Thema Gastlichkeit aus, und welche Zutaten darf der Innenarchitekt dazugeben? Zweifellos sehr spannende Fragen, welche nach Antworten verlangen!
Schließen Sie für einen Moment die Augen – und stellen Sie sich einen Ort vor, an dem Sie sich wohl fühlen! Stellen Sie hierzu jedoch die gestalterischen Merkmale des Raumes in den Hintergrund! Die essenziellen Dinge sind oftmals die wichtigsten!
• Akustik
• Angenehmes Sitzen
• Beleuchtung
• Und „last but not least“: Man will sehen und gesehen werden
Der erste und der letzte Punkt lässt sich mit der Frage erklären, warum man einen öffentlich zugänglichen Raum zum Essen und zum Trinken aufsucht? Ausgenommen natürlich man hat Hunger und Durst. Zu Punkt 1: Man möchte sich unterhalten, ein gutes Gespräch führen, zuhören können und auch gehört werden. Und Punkt 4: Die Dame des Hauses möchte vielleicht auch mal Ihre neueste Kleidung offerieren, beachtet werden, oder man will einfach nur jemanden kennenlernen.
KONKRETISIERUNG || AKUSTIK
Von Seiten des Gestalters ist in diesem Punkt Intuition gefordert! Natürlich kann man raumakustische Gutachten erstellen, Materialien im Raum akustisch simulieren lassen – alles auf mathematischer Basis und der Physik folgend. Entsteht jedoch so ein emotional ansprechender Raum? Unabhängig vom ganzheitlichen Layout des Raumes schaffen unterschiedliche Materialien Spannung – welche man fühlen und spüren kann. Weiche Materialien wirken vertraut, umarmen in der fremden Umgebung und sorgen so für eine akustische Atmosphäre.
SITZEN
Die Bestuhlung sollte dem Gastronomiekonzept angepasst werden! Eine Frage hierzu an Sie: Auf wie vielen Stühlen haben Sie bisher gesessen und an wie viele können sie sich erinnern – ob positiv oder negativ? Sortiert man das am Markt platzierte Stuhlangebot, stößt man häufig an Grenzen. Der optische Aspekt wird in vielerlei Hinsicht der eigentlichen Funktion des Stuhles unterworfen. Ein grandioser Fehler!
BELEUCHTUNG
Wer denkt beim Thema Licht nicht an Kerzenlicht oder eine Lagerfeuer-Atmosphäre? Warmes, weiches und angenehmes Licht, welches dem Raum eine wohlige Atmosphäre verleiht. Die Ausleuchtung eines Raumes muss auch nicht zwingend mit punktuellem Licht stattfinden. Offensichtliche Leuchtkörper lassen den Raum unruhig wirken und sind oftmals auch nur reine Dekoration. Bei dem von mir gestalteten Restaurant wurde der Raum nur in indirektes Licht getaucht. Die Innenarchitektur tritt komplett zurück, um dem farbenfrohen Spiel auf den Tellern den Vortritt zu lassen. Konturen von verschiedenen Raumelementen wurden akzentuiert, und gleichzeitig erhält der Raum Ruhe, da keine störenden und nicht funktionellen Lichtkörper die Gestaltung beeinträchtigen. Unmittelbar verknüpft mit dem Licht ist auch die Farbgebung. Warme Farbe lässt uns die Umgebung um zwei bis drei Grad wärmer empfinden, warmes Licht unterstreicht dies.
SEHEN UND GESEHEN WERDEN – SCHAFFEN VON UNTERSCHIEDLICHEN RAUMBEREICHEN
Die Raumarchitektur sollte so gestaltet sein, dass man dem Gast verschiedene Sichtzonen bietet. Nicht jeder möchte gesehen werden, aber dennoch einen Überblick über die Lokalität besitzen. Intime Raumbereiche sollten ebenso vorhanden sein, wie Plätze, auf denen man auf dem so genannten silbernen Tablett sitzt. Der Gast soll seinen Platz im Restaurant finden.
DER OPTISCHE AUFTRITT
Das Layout des Raumes, die stilistische Richtung, wird begründet durch die gestalterische Linie, welche dem Raum seine Unverwechselbarkeit verleiht. Diese muss für jeden spürbar sein, das heißt jedoch nicht, dass das Thema durch plumpe Gestaltungsmittel jedem sofort ersichtlich sein muss. Noch wichtiger als die einzelne funktionelle Erfüllung der oben genannten Punkte ist daher für mich die Authentizität des Gesamtergebnisses – die Ehrlichkeit und Bodenständigkeit der Gestaltung. Denn der Gast sollte wissen, wo er ist. Letztlich gilt es, für jeden Ort die passende Gastronomie zu gestalten. Dann schafft man auch für jeden Gast die passende Umgebung.
GERHARD WITTL VON ROOMCODE
Das Büro roomcode GmbH ist ein national wie international tätiges Büro für Innenarchitektur. Gerhard Wittl gründete das Unternehmen im Jahre 2007 nach zehnjähriger Berufserfahrung. Nach einer dreijährigen Ausbildung zum Tischler, Abitur und dreijähriger Gesellentätigkeit entschloss er sich zum Studium der Holztechnik und Innenarchitektur. Es folgten fünf Jahre Berufserfahrung bei namhaften Architekten und Innenarchitekten in München, Wien und Linz. Ein unkonventioneller Werdegang, der ihm nach 15 Jahren Berufserfahrung in praktischer und gestalterischer Tätigkeit die “Basics” für seine Funktion als Geschäftsführer von roomcode bieten. Die HOTELMARKETING GRUPPE schätzt die Expertise von Gerhard Wittl und seinem roomcode Team und kooperiert im Bereich der Innenarchitektur.
Text und Bild: Gerhard Wittl | www.roomcode.com