MEGATRENDS IN DER HOTELLERIE

Im Interview über den Re-Start nach dem Shutdown im Frühling 2020 spricht Patrick G. Rueff, Gründer der HOTELMARKETING GRUPPE, über Zukunftsszenarien in der Reisebranche. Mit der Erfahrung aus drei Jahrzehnten im Hotelmarketing betreut das Unternehmen an zehn Standorten im DACH-Raum unternehmergeführte Häuser, darunter ist das kleine Bed & Breakfast ebenso wie das exklusive 200-Zimmer-Resort.

Noch vor wenigen Wochen hätte es niemand für möglich gehalten, doch Corona verändert große Teile des globalen Tourismus umfassend und sorgt für eine Beschleunigung des Transformationsprozesses in Turbogeschwindigkeit. In den letzten Jahren waren vor allem vier Megatrends in der Hotellerie verstärkt spürbar: Individualisierung, Digitalisierung, Globalisierung und Mobilität. Jeder Megatrend setzt auch Gegentrends in Gang und diese werden wir – vor allem durch die Corona-Pandemie – stark wahrnehmen. Aus der Globalisierung erwächst eine noch stärkere Sehnsucht nach Regionalität, aus einer überhöhten Individualisierung heraus spüren Gäste den Wunsch nach Gemeinschaft, die Schließung der Grenzen sorgt für eine Unterbrechung der Mobilität bei Fernreisen und führt unseren Blick auf die naheliegenden Schönheiten unserer Heimat und nicht zuletzt lässt ein hohes Maß an Digitalisierung den Wunsch nach haptischen, analogen Erlebnissen wachsen. All diese Gegentrends werden den Tourismus in der DACH-Region beflügeln. Viele Betriebe sind dafür top aufgestellt und haben bereits mit dem Verzicht auf mögliche Stornogebühren bei kurzfristigen Absagen die Hürde für buchungswillige Gäste weit gesenkt. Nun werden die ohnehin schon ausgefeilten Hygiene-Konzepte professionalisiert und sorgen für eine gute Ausgangslage der hiesigen Hotellerie.

Wozu raten Sie Hoteliers für die Zeit nach der Krise?

Die Gastgeberfamilie war in der deutschen und österreichischen Hotellerie sowie in der Schweiz schon immer einer der wichtigsten USPs, sie nimmt in dieser Krisensituation eine herausragende Stellung ein. Nichts ist vertrauenswürdiger für Gäste als eine Familie, die für ihr Betriebskonzept steht und sich persönlich einbringt. Und Vertrauen ist die wichtigste Währung in diesem Sommer. Entscheidend ist jedoch, dass die Hotels ihre Positionierung, die Vision und Mission klar herausgearbeitet haben und diese professionell über die wichtigsten Kommunikationskanäle in den richtigen Herkunftsregionen kommunizieren. Wer hier zu unklar bleibt und sich nicht im Markt passend präsentiert, bleibt unsichtbar und wird nicht ausreichend gebucht werden.

Welche Ihrer Strategien für den Re-Start zählen Sie zu den wichtigsten?

Zuerst ist an die Stammgäste zu denken. Sie halten teilweise über Jahre hinweg die Treue zum persönlichen Lieblingshotel und sind in Krisen als erstes anzusprechen. Hier ist der persönliche Bezug und die herzliche Verbindung, auch in der Kommunikation, zu wahren. Wir empfehlen persönliche Briefe des Hoteliers – von Freund zu Freund, mit Füller und blauer Tinte. In unserer schnellen, digitalisierten Welt ist ein handgeschriebener Brief ein wertschätzendes, haptisches Erlebnis, welches Menschen auf andere Weise berührt als es ein allgemeiner E-Mail-Newsletter oder ein Social Media Post jemals ermöglichen könnte. Selbstverständlich sollten Hoteliers auch rechtzeitig alle relevanten Kommunikationskanäle der Vermarktung in Erwägung ziehen, um neue Gäste im Inland zu erreichen: von Google Adwords, Social Media Kampagnen bis zu klassischer Pressearbeit und Multiplikatoren-Marketing. Wichtig ist, dass es in dieser außergewöhnlichen Krisensituation keine üblichen Werbetexte in der Ansprache der Gäste sein dürfen, sondern feinfühlige Worte gewählt werden müssen. Mit unseren Hotelkunden haben wir zur Vorbereitung der Wiedereröffnung nicht nur ganzheitliche Vermarktungskonzepte entwickelt, sondern mit Spezialisten aus dem Housekeeping-Management an ganzheitlichen Hygiene-Konzepten gearbeitet, die nun als „Deep-Clean-Strategie“ ein wichtiger Teil der Kommunikation darstellen.

Auf welche Trends im internationalen Reisemarkt sollten sich Hoteliers bereits jetzt vorbereiten?

Der weltweite und stark überhitzte Tourismus-Marathon ist zum Stillstand gekommen. Der Transformationsprozess der Branche im Bereich der Megatrends, zu denen wir Individualisierung, Digitalisierung, Globalisierung und Mobilität zählen, befeuert durch den Shutdown die Gegentrends Regionalität, Gemeinschaft und die Sehnsucht nach Analogem. Das Tempo verlangsamt sich und die Freizügigkeit des Reisens wird wieder mehr zu etwas ganz Besonderem. Overtourism und Billigflüge gehören nun erstmal der Vergangenheit an. Der Virus hat einem fiebrigen Markt eine Pause verordnet. Das Reisen der Zukunft wird den sogenannten „Green Pressure“ noch viel stärker als bisher spüren. Denn die Menschen werden nach der Schockstarre teilweise andere Prioritäten setzen, die man in den letzten Jahren im Megatrend Neo-Ökologie schon erahnen konnte. Und eines scheint mir sehr wichtig: Distanz wird der neue Luxus. Große Hotels, die hunderte Gäste auf engem Raum beherbergt haben, werden dies in Zukunft nicht mehr so leicht umsetzen dürfen und Gäste werden andere Urlaubsformen bevorzugen. Das stellt eine große Chance für Landhotels, Chaletdörfer und Ferienhaus-Konzepte dar. Die räumliche Distanz am Urlaubsort wird vielen Gästen wichtiger werden und auch der kontaktlose Check-in und Bezahlvorgang gewinnt an Tempo. Hier liegt quasi die Zukunft in unserer Hand: Wir setzen derzeit schon erste Konzepte mit Handscannern um, die berührungslos die Handinnenfläche scannen und für einen kontaktlosen Bestell- und Bezahlvorgang im Hotel sorgen. Hier steht die Branche vor einer Digitalisierungswelle, die nun schneller kommen wird als wir noch vor wenigen Monaten vermutet hatten.

Wohin wird sich der Reisemarkt in den nächsten Jahren entwickeln?

Der Urlaub wird wieder wertvoller. Das Angebot an Betrieben wird sich leider aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Laufe der nächsten Monate reduzieren. Das führt zu einer Verknappung an Angeboten und zu erhöhten Preisen. Die Hotels, die die Krise überleben, werden zu den Gewinnern zählen. Die Menschen suchen verstärkt Rückzugsorte der Entschleunigung, der Besinnung und Inspiration und wir werden erleben, dass sie ein höheres Maß an Demut im Umgang mit Servicemitarbeitern zeigen. Dies kann zu einer Erhöhung der Wertschätzung für die Hotelberufe führen und die Tätigkeit in den Betrieben aufwerten.

Herr Rueff, wir bedanken uns für das Gespräch.

Das Walser ART im Kleinwalsertal ist die perfekte Symbiose zwischen gelebter Tradition und zeitgenössischer Aufgeschlossenheit. Familie Bantel lebt genau das mit vollem Einsatz: Tobias Bantel (Foto oben), der Hobby-Landwirt und Design-affine Bastler, hat Waschbecken, Lampen und diverse Möbel selbst entworfen und gebaut. Als Mietkoch bekocht er die Gäste in den Apartments mit regionalen Spezialitäten wie Original Käsknöpfle. Susann Bantel, die Gastlichkeit in Person, fühlt sich in der Walser Tracht genau so wohl wie in der Stellung des Warriors beim Yogakurs. Sie begrüßt die Gäste persönlich und steht für alle Belange zur Verfügung. Neo-Ökologie ist hier das Thema: Das Altholz stammt aus dem Abbruch des Bestandshauses, Details aus der Walser Tracht wurden im gesamten Interieur des Hauses integriert. Das Walser ART ist ein Projekt von Karin M. Winder, die am Standort Bregenz das Büro der HOTELMARKETING GRUPPE leitet.

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ÜBER DIE HOTELMARKETING GRUPPE

Mit der Gründung der HOTELMARKETING GRUPPE im Jahr 2005 entwarf Patrick G. Rueff das Kometenprinzip, eine dreistufige Vorgehensweise in zehn Bereichen mit über 100 Einzelschritten für eine ganzheitliche Hotelentwicklung und -vermarktung. Aktuell werden rund 200 Hotels in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol betreut: Auf Wunsch konzeptionell bereits ab der Planungsphase vor dem Bau. Für Bestandsbetriebe begleiten die Büros in München, Wien, Graz, Fürstenfeld, Mattersburg, Schladming, Bregenz, Auerbach, Leipzig und St. Gallen sämtliche Marketingmaßnahmen – von der Gestaltung der Online-Präsenz mit Buchungs-Tool über Social Media Management bis zu Programmatic Advertising.